Mitten im thüringischen Probstzella erhebt sich ein architektonisches Zeitzeugnis von einzigartiger Klarheit und Radikalität: das Haus des Volkes. Dieses Gesamtkunstwerk der Moderne ist weit mehr als ein regionales Kulturdenkmal – es ist ein gebautes Manifest des Neuen Bauens, entworfen von Alfred Arndt, einem Schüler und späteren Bauhaus-Meister. In seiner puristischen Formensprache, der stringenten Funktionalität und dem bewussten Einsatz industrieller Materialien spiegelt sich der Geist einer architektonischen Bewegung wider, die in den 1920er Jahren neue Maßstäbe setzte.
Das Haus des Volkes vereint eine Vielzahl von Funktionen unter einem Dach – Hotel, Gaststätte, Veranstaltungssaal, Kino, Lese- und Aufenthaltsräume – und folgt dabei dem Leitgedanken, Architektur im Dienst des Menschen zu gestalten. Die klar gegliederten Fassaden, das rhythmische Spiel aus Fensterbändern und Putzflächen, die reduzierten Ornamente und das durchdachte Lichtkonzept im Inneren belegen die Prinzipien der Bauhaus-Lehre in konsequenter Ausführung.
Besonders eindrucksvoll ist die gestalterische Kohärenz: Vom Mobiliar über die Türgriffe bis zur Beleuchtung wurde jedes Detail von Arndt gestaltet – eine gestalterische Gesamtheit, die den Anspruch des Hauses als Ort der sozialen und kulturellen Teilhabe unterstreicht. Heute zählt das Haus des Volkes zu den bedeutendsten erhaltenen Bauwerken des Neuen Bauens in Deutschland außerhalb der urbanen Zentren.
Errichtet wurde das Gebäude auf Initiative des Industriellen Franz Itting, dessen Engagement den Bau überhaupt erst möglich machte. Seine Rolle als Gründer bleibt historisch bedeutsam, doch ist es die Vision Alfred Arndts, die dem Haus seine bleibende künstlerische und gesellschaftliche Relevanz verleiht.
Die folgenden Seiten widmet sich dem Haus des Volkes in all seinen gestalterischen, funktionalen und historischen Facetten – in Bildern, Perspektiven und Details, die seine Einzigartigkeit als Denkmal der Moderne erlebbar machen.
Der Blaue Saal bildet das elegante Herzstück des Ensembles und wurde 1935 von Bauhaus-Architekt Alfred Arndt als Restaurant- und Gesellschaftsraum ergänzt, womit er das ursprüngliche Haus des Volkes um eine moderne, funktionale Note bereicherte.
Hellblaue Wandflächen, terracotta und blau akzentuierte Träger vor lichtgelber Decke, einfache Holzstühle mit Armlehnen und die markanten Kugel-Pendelleuchten schaffen ein klar gegliedertes Farb- und Lichtkonzept, das die nüchterne Formensprache des Neuen Bauens sinnlich erfahrbar macht.
Eine vollständig verglaste Panoramafront öffnet den Saal über dem Loquitztal; mit rund 80 Sitzplätzen, Bühne, Konzertflügel und moderner Tonanlage bleibt er bis heute ein vielseitig nutzbares Forum für Feste, Konzerte und Tagungen.
Arndt verstand Raum, Möblierung und Nutzung als untrennbare Einheit – deshalb ist selbst der Grundriss des Saals bis ins Detail auf ergonomische Abläufe und klare Sichtachsen ausgelegt.
So verkörpert der Blaue Saal wie kein anderer Raum des Hauses des Volkes die humanistische Vision des Bauhauses: einen offenen, lichtdurchfluteten Treffpunkt, der Gemeinschaft durch Gestaltung fördert.
Der Gartenkiosk ist ein kleiner Backstein-Pavillon mitten im Park; Alfred Arndt ergänzte ihn 1927 als Teil der nachträglichen Parkbauten – zusammen mit Konzertmuschel und Café – und verankerte damit die Idee eines durchgängigen Freizeit-Ensembles.
Abgerundete Messingverkleidungen an den Ausgabefenstern, ein weit vorkragendes Flachdach aus Sichtbeton und bandartig verglaste Öffnungen übersetzen die Bauhaus-Maxime von Klarheit und Funktionalität in ein kompaktes Servicemodul.
Damals reichte man hier einfache Imbisse – allen voran heiße Würstchen – sowie Getränke an Spaziergänger und Gäste, sodass der Park zu einem geselligen Treffpunkt wurde.
Nach behutsamer Restaurierung steht der denkmalgeschützte Kiosk heute wieder als charmantes Kleinod bereit und zeigt, wie Arndt selbst Nebengebäude konsequent in das gestalterische Gesamtkonzept des Haus-des-Volkes-Ensembles einband.
Alfred Arndt nutzte Farbe im Innenraum nicht dekorativ, sondern als gestalterisches Mittel zur Raumstrukturierung, Orientierung und atmosphärischen Wirkung – ein Ansatz, der tief in der Bauhaus-Lehre verwurzelt ist.
In den Treppenhäusern des Hauses des Volkes setzte er dieses Farbkonzept konsequent um: Wandflächen sind klar zoniert, Geländer farblich abgesetzt, Decken und Stufen bewusst kontrastiert.
Die Farben leiten den Blick, betonen Wegeführungen und helfen, die vertikale Bewegung im Gebäude intuitiv erfahrbar zu machen.
Zugleich erzeugen die abgestimmten Töne ein Gefühl von Leichtigkeit und Offenheit – aus nüchternen Funktionsräumen werden so klar komponierte, fast grafisch wirkende Durchgänge.
Arndt gelingt es damit, auch den Übergangsraum als Teil eines sinnlich durchdachten Gesamterlebnisses erfahrbar zu machen.
Blick aus einem Bauhaus-Zimmer